2014 ist vorbei, Zeit für Listen. Einschneidendes musikalisches Ereignis des Jahres für mich: Meinen Last-fm-Account verwaisen zu lassen. Ich höre seitdem tendenziell etwas weniger, dafür aber deutlich freier und ungezwungener und wohl auch intensiver Musik, mit deutlich weniger Selbstkontrolle gestreckt. Obwohl ich natürlich ein großer, bisweilen pedantischer Freund jedweder Statistiken und Listen bin, war das also definitiv eine gelungene Entscheidung, und es hat mich nicht davon abgehalten, dieses Jahr eine Menge schöne Musik zu entdecken, obwohl die ganz großen Lieblingssongs eher ausgeblieben sind. (Tatsächlich ist meine liebste Entdeckung 2014 schon deutlich älter, was eigentlich jedes Jahr der Fall ist, und ironischerweise noch ein Last.fm-Fund, der mir sonst vielleicht nie über den Weg gelaufen wäre, der grandiose Glücklichmacher „Für irgendwen“ von Gnill nämlich. Fazit: Einfach ein bisschen mehr wühlen.)
Die Top 10 gibt es nach dem Klick im Detail oder hier als Spotify-Playlist.
10. Radical Face | Baptism
Hier sitzen und auf den ersten Schnee warten und dabei dem Half-Flüstern, Halb-Singen von Ben Cooper zuhören. Es passt einfach.
9. Cloud Nothings | I’m Not Part of Me
„I’m not telling you all I really feel | I feel fine“. I can relate. Außerdem, wenn auch nicht wertungsrelevant, eines der tollsten Videos des Jahres.
8. Sleepmakeswaves | Perfect Detonator
Wenig überragender Post-Rock in diesem Jahr, wenig spannende neue Alben; da war natürlich Mogwai, ein okay-er Album von Hammock, ansonsten eher Flaute (jaja, Silver Mt Zion, bla). Gut, dass es die Australier von Sleepmakeswaves gibt, die von sich behaupten, „we write love songs about delay pedals“, und die ohne Weiteres zu den besten Liveacts zählen, die ich je gesehen habe.
7. The Pains of Being Pure at Heart | The Asp at My Chest
Wenn eine Band das großartigste Debütalbum überhaupt fabriziert, tut sie gut daran, anschließend etwas anderes zu versuchen. Gut, dass Kip Berman und co. das verstanden haben. Die dritte Scheibe, „Days of Abandon“, ist insgesamt ruhiger geraten, ohne eine wirklich klare Linie, mit unaufdringlichen Hits und viel Rumprobieren und als Schlusspunkt dem leisesten Song, den The Pains bis dato produziert haben. „The Asp in My Chest“, Gänsehaut.
6. Future Islands | A Song For Our Grandfathers
Diese eine abgründige Hymne auf jedem Future-Islands-Album (ich sage nur „We don’t want your blessings – give us the wind, give us the storm“) – dass dann immer andere Songs gefeiert werden, geschenkt.
5. Alvvays | Archie, Marry Me
Dream Pop wurde in dieser Hälfte der Dekade totgespielt, aber wenn das so ist, ist die aktuelle Alvvays-Scheibe ein unwahrscheinlich süßer Zombie. Grandios verträumt das ganze Ding, und dann wie aus dem Nichts dieser geschmachtete Refrain, zu dem man sich einfach heiser säuseln möchte.
4. Spaceman Spiff | Han Solo
„Was hätte Han Solo getan?“ Ich halte das für eine relevante Frage.
3. Sun Kil Moon | Carissa
Das Album von Sun Kil Moon ist das musikalische Äquivalent eines Philip-Roth-Romans. Man fühlt sich danach nicht besser als vorher, weiß aber, dass man die Zeit mit etwas Relevantem verbracht hat. Wenn das Wort nicht mehr oder weniger verbrannt wäre, könnte man es sogar authentisch nennen.
2. alt-j | Warm Foothills
Was Musik angeht, neige ich zu schnellen Urteilen. Wenn ich, wie hier, die ersten 30 Sekunden eines Songs nicht mag, werde ich meine Meinung bis zum Ende nicht ändern, wenn ich denn überhaupt bis zum Ende höre. Gut, dass ich es hier gemacht habe: Was für ein zauberhaftes Duett, welch grandioses Pfeifen, was für eine an Eskapismus grenzende, schlicht zauberhafte Melodie, die nach Sommergras riecht und nach Eiscreme im Park schmeckt. Es gibt schlechteren Mainstream.
1. The War on Drugs | In Reverse
Es gibt eigentlich jedes Jahr dieses eine Album, mit dem man eigentlich die Hälfte seiner Top 10 besetzen möchte. Ganz so dominierend war „Lost in a Dream“ in diesem Jahr vielleicht nicht, gleichzeitig stand aber auch nie in Frage, dass „In Reverse“ auf den Goldplatz gehört, allein schon für das gewagt ewige Intro.