Selma (2014)

„Our lives are not fully lived if we’re not willing to die for those we love, for what we believe.“

Was passiert
SelmaDer Civil Rights Act von 1964 beendet offiziell die Rassentrenung in den Vereinigten Staaten. Doch die Realität, gerade in den Südstaaten, sieht anders aus. Martin Luther King, charismatischer Anführer der Bürgerrechtsorganisation Southern Christian Leadership Conference, drängt Präsident Lyndon B. Johnson dazu, endlich per Gesetz dafür zu sorgen, dass Menschen nicht ihrer Hautfarbe wegen von Wahlen ausgeschlossen werden. Als Johnson Zusagen verweigert, entschließt sich King, im Städtchen Selma, Alabama, mit einem friedlichen Marsch nach Montgomery ein Zeichen zu setzen.

Was Sache ist
Der erste Marsch von Selma, der an der Edmund-Pettus-Brücke niedergeschlagen wurde, fand am 7. März 1965 statt. Mein erster Gedanke war, dass dieses Ereignis schon fünfzig Jahre zurückliegt, ziemlich schnell übertönt von einem zweiten: Nur fünfzig Jahre, seit demokratisch gewählte Offizielle eines Staates im selbst ernannten „Land of the free, home of the brave“ eine friedliche Demonstration niederprügeln ließen und dabei den Tod dieser Menschen mindestens mutwillig in Kauf nahmen, nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer angeblichen „Rasse“? Nur fünfzig Jahre, seit diese Tritte und Schläge von den Zuschauenden mit Applaus begleitet wurden? Der zwangsläufige dritte Gedanke muss sein, dass diese fünfzig Jahre für Manche gar nicht vergangen sind; dass sich immer noch rassistische Wahninnige auf den Klan berufen; dass immer noch Menschen ermordet werden. Fünfzig Jahre sind nicht viel, um einen strukturellen, tief verwurzelten, über Jahrhunderte gepflanzten und gehegten Menschenhass zu überwinden. Noch weniger sind es die dreizehn Jahre, die Martin Luther King als Anführer der Bürgerrechtsbewegung darauf hingearbeitet hat. Dafür hat er in diesem Zeitraum Beachtliches erreicht. Aber wird er sich jemals gesagt haben, dass er genug getan hat?

David Oyelowos King ist ein Fixpunkt in Ava DuVernays Drama über die Bewegung in Selma. Oft ruht er im Zentrum der Kamera, mit festem Blick, fester Stimme. Nur selten wankt er, zittert, schaut zu Boden. In diesen Momenten gelingt es Oyelowo, duVernay und Cinematographer Bradford Young, diese übermenschliche, überwältigende Aufgabe, die King sich selbst immer aufs Neue gesetzt hat, greifbar zu machen. Es sind starke Momente, aber die treibende Kraft hinter „Selma“ ist nicht das großartige Ensemble, es ist die Energie dieser Bewegung der Machtlosen, die zu ihrer eigenen Stärke findet. Es ist eine kluge Entscheidung gewesen, keine aufgeblähte Biographie über King und seinen Kampf seit 1955 zu drehen, die vielleicht ihrem Protagonisten, aber sicher nicht ihrem Thema gerecht werden könnte. Dieser Film ist nicht „King“, nicht der I-Have-A-Dream-Film, er ist „Selma“ – die Geschichte eines Widerstandes gegen ein fundamentales, ein fundamentalistisches Unrecht, deren Bedeutung über einzelne Köpfe hinausgeht und bis heute andauert. Ein machtvoller, ein wichtiger Film.



Selma (USA 2014) | Regie: Ava DuVernay | Skript: Paul Webb | mit David Oyelowo, Carmen Ejogo, Tom Wilkinson, Wendell Pierce, Stephan James, André Holland, Giovanni Ribisi, Tim Roth, Oprah Winfrey, Cuba Gooding Jr., Common | 128 min.

Andere Meinungen: Komm & Sieh, Owley

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