Whiplash (2014)

„If you want the fucking part, earn it!“

Was passiert
WhiplashAndrew Neiman studiert am prestigeträchtigen Shaffer Conservatory in New York mit dem Ziel, weltbester Schlagzeuger zu werden. Mit seinem Tempo erregt er die Aufmerksamkeit des Dirigenten Terrence Fletcher, der Andrew als Ersatzdrummer in seine Studioband aufnimmt. Fletcher ist genial, aber aggressiv und schreckt weder vor Beleidigungen noch Schlägen zurück, um seine Studenten an ihre Grenzen und darüber hinaus zu treiben. Miles wird schließlich zum Hauptschlagzeuger des Orchesters, doch Fletchers Methoden bringen ihn an sein physisches und psychisches Limit.

Was Sache ist
„I never really had a Charlie Parker“, gibt J.K. Simmons‘ Fletcher irgendwann sein eigenes Scheitern zu, das Scheitern seiner selbst gesetzten Aufgabe: Nicht selbst Größe zu erreichen, sondern andere zu wahrer Größe zu treiben. „But I tried. I actually fucking tried. And that’s more than most people ever do.“ „Whiplash“ versucht eine Menge, und das auf eine düstere, beinahe subversive Weise. Die ersten Proben der Studio Band beginnen beinahe amüsant, komödienhaft, selbst als Fletcher einen Studenten demütigt und einen Stuhl nach Andrew wirft. Wie tief der psychische Missbrauch schneidet, den Chazelle thematisiert, tritt langsam hervor, langsamer als die körperlichen Wunden, die Andrew von seinem Training davonträgt. Der Bruch mit dem sozialen Umfeld, das ständige Schweben am Rande des Zusammenbruchs. Es ist eine Konfrontation, die in ihren Bann zieht, regelrecht hypnotisiert; das atemlose Mitfiebern an der (Selbst-)Zerstörung eines Menschen.

Ist die Möglichkeit, einen zweiten Charlie Parker zu entdecken, das wert? Viele würden sagen nein. Macht das Fletcher, der diese Meinung nicht teilt, zu einem Monster, sadistisch, unmenschlich? Und was ist mit Andrew, der sich bereitwillig in diese Beziehung fügt, der Verständnis für Fletchers Methoden äußert, noch nachdem es ihn selbst beinahe alles gekostet hat? Ist es Machtmissbrauch oder die vielleicht einzig legitime Art, Macht zu gebrauchen? Der Film macht sich seine Antworten nicht leicht, und dafür ist er zu beglückwünschen. Mehr noch für seine beiden fantastischen Darsteller, einen entfesselten Miles Teller ebenso wie Simmons als kaltblütigen, aber sicher nicht gefühllosen Antagonisten, für seine genialen Schnitte, seinen Sound, für einen schweißtreibenden Rhythmus, der einen Musikfilm nahtlos in einen rauschhaften Psychothriller verwandelt. Boshaftes, großes Kino.



Whiplash (USA 2014) | Regie/Skript: Damien Chazelle | mit Miles Teller, J.K. Simmons, Melissa Benoist, Paul Reiser | 107 min.

Andere Meinungen: Going to the Movies, Komm & Sieh, Owley

3 Gedanken zu „Whiplash (2014)

  1. Mal wieder einer der Fälle, in der sich lobende Texte so gut lesen, dass ich fast an meiner Meinung verzweifle. Der Film ist toll gemacht, die Schauspieler sind super und die Schnitte perfekt gesetzt. Vielleicht war das Thema (der Film hat mich vorher nicht sonderlich interessiert) nicht meins, vor allem hat die Wirkung auf mich gefehlt. Ich denke, ich hätte Fletcher hassen müssen, aber ich stehe zu gleichgültig dem Film gegenüber. Der Funke ist nicht übergesprungen.

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    • Die erste Viertelstunde – oder so – hatte ich das Gefühl erst auch. (Zumal das Thema mich nun auch nicht sonderlich anspricht.) Letztendlich haben Teller, Simmons und der Rhythmus es dann aber ziemlich fix rumgerissen. Aber klar, kann passieren.

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