Academy Awards 2015: Tipp

Ich würde die Oscar-Verleihung und damit das Ende der jedes Jahr unsäglichen Awards-Season mehr herbeisehnen, wenn sie nicht jedes Jahr die sommerliche Kino-Durststrecke einleiten würde, die dann mit einem leidlichen Cocktail aus europäischem Arthouse-Film und den sporadischen akzeptablen Blockbustern zu strecken ist. (Interessant an der Stelle, dass zwei der diesjährigen Nominees schon früh im letzten Jahr veröffentlicht wurden, „The Grand Budapest Hotel“ und „Boyhood“. Ich erinnere mich nicht, wann das zuletzt der Fall war.) Auf der anderen Seite ist ja auch nicht alles Oscar-Material uneingeschränkt sehenswert, von daher ist der Bruch wahrscheinlich eher ein gefühlter und die Oscars in noch einer Hinsicht gar nicht so furchtbar bedeutsam. Für mich fällt die Verleihung in die Kategorie „nettes TV-Ritual“, die sie mit dem ESC teilt, auch wenn letzterer in Sachen Unterhaltungswert meist die Nase vorn hat. Das soll mich aber nicht vom Tippen (und unverschämterweise-meine-Favouriten-angeben-obwohl-ich-nicht-alle-Filme-gesehen-habe) abhalten.


Best Short Film, Live Action: The Phone Call
Best Short Film, Animated: Feast
Best Documentary, Short Subject: Crisis Hotline: Veterans Press 1
Best Documentary, Feature: CitizenFour
Best Achievement in Visual Effects: Dawn of the Planet of the Apes
Best Achievement in Sound Editing: American Sniper
Best Achievement in Sound Mixing: Whiplash
Best Achievement in Music Written for Motion Pictures, Original Song: Selma
Best Achievement in Music Written for Motion Pictures, Original Score: The Theory of Everything
Desplat mit acht Nominierungen in neun Jahren erscheint überfällig und ist diesmal gleich doppelt nominiert, allerdings bei Weitem nicht mit seinen besten Scores, und es scheint auch nicht klar zu sein, welchen von beiden Desplat-Fans vorziehen würden: Der starke „Grand Budapest“-Score gewann bei den Baftas, war für die Globes aber noch nicht mal nominiert, im Gegensatz zum mediokren „Imitation Game“-Score. Sollte Desplat gewinnen, dann für „Budapest“. Ein Sieg für Johannson wäre aber hoch verdient.
Best Achievement in Makeup and Hairstyling: Grand Budapest Hotel
Best Achievement in Costume Design: Grand Budapest Hotel
Best Achievement in Production Design: Grand Budapest Hotel
Best Achievement in Editing: American Sniper
Best Achievement in Cinematography: Birdman, or: The Unexpected Virtue of Ignorance
Best Foreign Language Film of the Year: Ida
Best Animated Feature Film of the Year: How to Train Your Dragon 2

Best Writing, Screenplay Based on Material Previously Produced or Published
Chazelle kann sich (womöglich) freuen, dass er aufgrund von merkwürdigen Kriterien in der eigentlich falschen, allerdings auch schwächeren Kategorie gelandet ist. („Whiplash“ ist adaptiert von dem gleichnamigen Kurzfilm Chazelles, der wiederum auf dem Drehbuch des Spielfilms basiert, was mir ein extrem alberner Fall verquerer Eigenlogik erscheint.) Wenn „The Theory of Everything“ eine Schwäche hatte, war es das Skript, selbes gilt für den stellenweise wirren „The Imitation Game“. Gesunder Optimismus diktiert, dass „American Sniper“ hier keine ernsthafte Chance haben wird. Übrig bleibt Paul Thomas Anderson, der tatsächlich noch auf seinen Oscar wartet; die Begeisterung ausgerechnet für „Inherent Vice“ hält sich aber in Grenzen, leider.
Wird gewinnen: Damien Chazelle, Whiplash
Sollte gewinnen: Damien Chazelle, Whiplash

Best Writing, Screenplay Written Directly for the Screen
Eine der eher unberechenbaren Kategorien, in der Linklater die logischste Tour sein dürfte, aber logisch ist halt langweilig. „Nightcrawler“ ist klarer Außenseiter, „Birdman“ wird eher andere Preise bekommen. „Foxcatcher“ ist nicht unmöglich, fällt aber nicht unbedingt ins Beuteschema der Academy. Darum könnte hier die Stunde des geschätzten Herrn Anderson schlagen, wenn auch, meiner Ansicht nach, für den falschen Film (und auch in der falschen Kategorie; ich würde ihm eigentlich einen Regiepreis lieber verleihen als einen für seine Schreibkünste). Nichtsdestotrotz wäre es zu gönnen.
Wird gewinnen: Wes Anderson, Grand Budapest Hotel
Sollte gewinnen: Alejandro González Iñárritu et al., Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance)

Best Achievement in Directing
Meine Prognose: Linklater und Iñárritu werden besten FIlm und beste Regie 1:1 unter sich aufteilen; die Frage ist in welcher Reihenfolge. Bennett Miller ist auf einem guten Weg, ein Preis für Wes Anderson wäre hier gar nicht mal unverdient. Morten Tyldum ist nicht der Rede wert, ich wundere mich auch, dass er hier den ungleich besseren James Marsh und Damien Chazelle oder auch Ava duVernay vorgezogen wurde.
Wird gewinnen: Alejandro González Iñárritu, Birdman, or (The Unexpected Virtue of Ignorance)
Sollte gewinnen: Alejandro González Iñárritu, Birdman, or (The Unexpected Virtue of Ignorance)
Wo ist eigentlich …?: James Marsh, The Theory of Everything

Best Performance by an Actor in a Supporting Role
Hawke, Norton, Ruffalo sind ein bemerkenswertes Line-Up, mit Robert Duvall als Ergänzung ehrenhalber, der Alterspräsident der Oscar-Nominierungen sozusagen. Dürfte jemand Außenseiterchancen anmelden, wäre das wohl Hawke. Die Frage ist aber eher formaler Natur. Simmons hat fast alles gewonnen, was es für „Whiplash“ zu gewinnen gab, und der Oscar dürfte da nur noch Formsache sein.
Wird gewinnen: J.K. Simmons, Whiplash
Sollte gewinnen: J.K. Simmons, Whiplash
Wo ist eigentlich …?: Tom Wilkinson, Selma

Best Performance by an Actress in a Supporting Role
Auch hier wenig Diskussionsbedarf. Meryl Streep wird ihren Vierten nicht für eine schräge Waldhexe bekommen, die sie aus dem Handgelenk spielt. Knightley spielt schwer okay, aber nicht auf Oscar-Niveau. Für Dern war schon die Nominierung ein Hauptgewinn. Emma Stone ist in diesem Feld No. Two (und wäre Gewinnerin zumindest meines Herzens), aber Arquette hat einfach die dankbarere Rolle und ist damit gesetzt.
Wird gewinnen: Patricia Arquette, Boyhood
Sollte gewinnen: Emma Stone, Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance)

Best Performance by an Actor in a Leading Role
Nicht unverdient wird „The Imitation Game“ ohne Auszeichnungen nach Hause reisen. Cumberbatch ist noch der ansehnlichste Teil des Films, steht aber trotzdem weit hinter Eddie Redmaynes großartig gespieltem Stephen Hawking zurück, der auch Michael Keaton in der wohl spannenderen Rolle als Wiggan Thompson in „Birdman“ knapp auf die Plätze verweisen dürfte, weil es eben immer noch die Oscars sind. Cooper ist zum dritten Mal in drei Jahren nominiert, „American Sniper“ sollte aber nicht der Film sein, für dem der Großteil der Academy ihn gerne auszeichnen möchte. Steve Carell liefert in „Foxcatcher“ eine enorm starke Performance, ist aber dennoch großer Außenseiter.
Wird gewinnen: Eddie Redmayne, The Theory of Everything
Sollte gewinnen: Michael Keaton, Birdman, or (The Unexpected Virtue of Ignorance)
Wo ist eigentlich …?: Joaquin Phoenix, Inherent Vice

Best Performance by an Actress in a Leading Role
Wenn ich am Sonntag Julianne Moores Namen höre, werde ich in Gedanken „Maps to the Stars“ ergänzen, der Film, für den sie immerhin letztes Jahr in Cannes als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Obwohl ich die Chance, „Still Alice“ zu sehen, noch nicht hatte, ist schon bemerkenswert festzuhalten, dass Cronenbergs Hollywood-Satire nicht einmal eine ordentliche Kampagne wert war, da Moore zu jedem Zeitpunkt der Awards-Season in Stein gemeißelt schien (und die Regeln der Academy ja leider verbieten, dass Schauspieler*innen in derselben Kategorie mehrfach nominiert werden, was in anderen Kategorien, siehe Desplat, seltsamerweise kein Thema ist – und immerhin war Moore 2003 schon mal doppelt nominiert gewesen, für „The Hours“ und den seither vergessenen „Far from Heaven“. In der Hinsicht mal ein Nicken ehrenhalber in Richtung der Globes). Die Nominierung für Cotillard ist unerwartet und gut; genau wie Witherspoon hat sie ihren Oscar aber schon. Felicity Jones ist trotz beeindruckender Leistung chancenlos, und Rosamund Pike für „Gone Girl“ scheint mir medial doch etwas überschätzt zu sein, hat mich alles in allem weniger überzeugt als Rooney Mara in Finchers Vorletztem, „The Girl with the Dragon Tattoo“, wobei Mara zugegeben gegen ein stärkeres Feld verloren hat. Und natürlich schätzt die Academy gepflegte Soziopathie, aber Alzheimer steht dann doch noch etwas höher im Kurs. (Man notiere, dass Mara damals gegen Meryl Streep als Iron Lady den kürzeren zog. Nicht, dass Moore gute Omen nötig hätte, aber nehmen wir das hier mal so mit.)
Wird gewinnen: Julianne Moore, Still Alice
Sollte gewinnen: Julianne Moore. Ähem.
Wo ist eigentlich …?: Tilda Swinton, Only Lovers Left Alive

Best Motion Picture of the Year
Bei aller Kritik an den Oscars ist es dann doch gut, dass die Academy nicht nach Publikumsmeinung entscheidet und „American Sniper“ in den Hauptkategorien leer ausgehen wird. „Budapest“ wird bei einer bestimmten Fraktion innerhalb der Academy hervorragend ziehen. Das wird aber nicht ausreichen, und zurecht. Die Britpics stehen unter ferner liefen, unverdient für „The Theory of Everything“, eher zurecht für „The Imitation Game“. „Whiplash“ ist wohl der einzige wirklich einhellig gut aufgenommene FIlm des Jahres, und ich bin gespannt, was Chazelle in Zukunft so fabrizieren wird. Etwas überrasch bin icht, dass „Selma“ allgemein als aus dem Rennen gilt. Die nahezu völlige Vernachlässigung Selmas bei den Nominierungen, eine Folge späten Release-Datums und schlechter Strategie, sollte sich ihrerseits als strategisch günstig erweisen, weil sie für einigen Aufschrei dies- und jenseits der Rassismusvorwürfe gesorgt hat, und die Academy ist um weniges so besorgt wie um ihr politisch korrektes Image, was Anhänger von Filmen wie „The Imitation Game“ dazu bringen könnte, in Richtung „Selma“ umzuschwenken. Ich wäre nicht verwundert – und würde aufgrund der Snubs in den anderen Kategorien sogar dazu tendieren, dem Film diesen Preis zu gönnen. Es sollte nicht zulasten von „Birdman“ gehen – der scheint sich in den letzten Wochen überraschend doch noch als Frontrunner etabliert zu haben und wäre der erste verdiente Best-Picture-Oscar seit fünfzehn Jahren.
Wird gewinnen: Boyhood
Sollte gewinnen: Selma
Wo ist eigentlich …?: Maps to the Stars

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