The Walk (2015)

„People ask me ‚Why do you risk death?‘ For me, this is life.“

Was passiert
The WalkAm 7. August des Jahres 1974 spannen der französische Künstler Philippe Petit und seine Gefährten ein Drahtseil zwischen den Türmen des gerade fertig gestellten World Trade Centers. Was folgt, ist eine artistische Meisterleistung Petits – und was ihm vorausgeht, die Geschichte eines lebenslangen Traums, die Begeisterung eines Jungen über den Zauber des Zirkus, seine Begegnungen mit dem widerwilligen Mentor Papa Rudy, mit seinem Fotografen und Vertrauten Jean-Louis und mit Annie, die ihn ermuntert, seinem Traum zu folgen und nach New York zu gehen, um sein Meisterstück abzuliefern.

Was Sache ist
Robert Zemeckis, der mal so etwas wie Spielbergs Erbe war, dreht übrigens immer noch Filme. Nachdem seine Versuche, sich als Kinorevolutionär zu inszenieren, mit „The Polar Express“ und dem zurecht vergessenen „Beowulf“ untergegangen sind, übt er sich mit „The Walk“ nun an einem, man muss es wohl sagen, Drahtseilakt: Petits WTC-Balance soll, das hat der Filmverleih sich zum Ziel gesetzt, gar nicht anders geschaut werden als in 3D und sieht zugleich doch aus, als hätte er ein paar Jahrzehnte in einer Hollywood-Schublade verbracht oder sei direkt von Marty McFly aus den Achtzigern mitgebracht worden. Es verleiht dem 1974 angesiedelten Streifen eine zeitgemäße Aura, indes die 3D-Technik, zur Abwechslung einmal viel mehr als nur gleichgültiges bis störendes Gimmick für geistlosen Bildschirmbombast, ihr übriges tut, „The Walk“ stellenweise in einen veritablen Horrorfilm zu verwandeln – für jene natürlich, die sich trotz Höhenangst in den Kinosaal trauen und sich wahrscheinlich gerade deshalb mehr Emotionen entlocken lassen als die Schwindelfreien. Gut möglich, dass seine eigene Perfektion den Film an seinem Publikum vorbei katapultiert.

An den Gefühlssträngen zu zupfen, darin war „Forrest Gump“-Regisseur Zemeckis schon immer Meister, lässt deshalb auch hier seinen Protagonisten von dessen Kindheit an in großen Träumen schwelgen und das Publikum an große Filmmomente denken – zumindest sobald die absurden und in Intensität schwankenden Akzente Joseph Gordon-Levitts und Ben Kingsleys im Hintergrund der Aufmerksamkeit versickert sind. Souverän hangelt „The Walk“ sich an den Standardstationen des klassischen Charakterkinos entlang, weiß – auch dank des angenehm zurückhaltenden Scores von Alan Silvestri – an den richtigen Stellen die leisen Töne zu erwischen, eine Qualität, die man schon fast restlos aus den Kinos verschwunden geglaubt haben könnte. Vergleichsweise unspektakulär dann der Höhepunkt: Vom Filmplakat bis zum Erzählkommentar wird keine Gelegenheit ausgelassen, daran zu erinnern, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, deren Ausgang nie in Frage steht. Bis zum tatsächlichen Walk hat sich selbst der Akrophobiker an die dank 3D in der Tat überzeugenden Höhen gewöhnt und darf die Show nun genießen. Und eine Show zum Genießen ist es in der Tat geworden, eine Homage an das Träumen, das Kino, an New York und die Towers, die Zemeckis zum guten Ende hin nicht unter schwerfälliges Moralfeuer nimmt, sondern mit einem leisen, melancholischen Nicken verabschiedet. Ob er nun sein Publikum finden wird oder nicht, „The Walk“ ist, gerade weil technisch überzeugend, ein Anachronismus der gelungenen Sorte.

The Walk (USA 2015) | Regie: Robert Zemeckis | Skript: Zemeckis, Christopher Browne | mit Joseph Gordon-Levitt, Charlotte Le Bon, Ben Kingsley, Clément Sibony, César Domboy, Steve Valentine, James Badge Dale | 123 min.

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