„I feel a great swell of pity for the poor soul who comes to my school looking for trouble.“
Was passiert
5000 Jahre zuvor herrschte der nahezu allmächtige Mutant En Sabah Nur als Gott über das alte Ägypten. Nun erwacht er zu neuem Leben und plant, sich die Welt untertan zu machen. Seine Pläne treffen beim abermals von der Menschheit enttäuschten Erik Lehnsherr/Magneto auf offene Ohren – sehr zum Bestürzen von Mystique, die ihren alten Freund Charles Xavier aufsucht, um Erik zurückzuholen. Doch auch En Sabah Nur hat ein Interesse an Professor X und seinen Kräften, und so ist es an Mystique, aus Xaviers Schülern ein Team zu rekrutieren, das dem Gott die Stirn bietet, um die Welt zu retten …
Was Sache ist
Ein nahezu allmächtiger Übermensch sieht die Sünden einer achtlos suizidalen Menschheit und ist entschlossen, die Welt zu reinigen und neu zu erschaffen – und das mit solcher Zerstörungswut, dass er selbst seine treuen Untergebenen in die Arme des Teams von Superhelden treibt, das sich ihm entgegenstellt … et voilá, „Avengers: Age of Ultron“. Das eigentlich Bedauernswerte an „X-Men: Apocalypse“ ist keineswegs der reichlich vorhandene unfreiwillige Humor, sondern, dass selbst Bryan Singer, der mit den beiden nach wie vor exzellenten ersten X-Men-Filmen den Grundstein für alle Marvel- und DC-Exzesse legte, dem Genre nichts Neues mehr abzugewinnen hat. Wenn lange vor Kinostart klar ist, dass die beste Szene des Films eine Kopie der besten Szene des letzten Films werden wird (und in der Tat, Quicksilvers großer Auftritt ist auch diesmal fantastisch), liegt etwas im Argen. Dabei wäre so viel Potential vorhanden: Man mag sich erinnern, dass „X-Men“ den Mumm besaß, ein buntes Kinospektakel im Auschwitz 1944 zu beginnen. Nach wie vor das spannendste Element in Singers Werkzeugkasten ist der ideologische Konflikt zwischen Charles Xavier und Erik Lehnsherr (weiterhin exzellent: James McAvoy und Michael Fassbender), der hier in einer Villain-of-the-Week-Revue beinahe untergeht. Und warum sucht Hollywood eigentlich seit Jahren nach dem nächsten „Harry Potter“-Franchise, wenn wir bisher aus unerfindlichen Gründen noch keinen Film gesehen haben, der sich ganz auf Xavier’s School for Gifted Youngsters stürzt? Wer Unruhen in Kairo sehen möchte, kann auch die Nachrichten anschalten.
Beinahe frustrierend, dass „Apocalypse“ so sehr zu einem Verriss verlockt, ohne einen solchen tatsächlich zu verdienen. Denn allein die bizarren Gangwechsel, mit denen Singer das Material traktiert, unterhalten bestens: Von der erwähnten Quicksilver-Sequenz geht es so naht- wie sinnlos in William Strykers Geheimlabore und zu einer so blutigen wie ungewollt absurden Wolverine-Sequenz, die in einem Sitcom-Shot endet. Lehnsherrs emotional aufgewühlte Rachesequenz wird nicht eben dramatischer dadurch, dass sich Oscar Isaac in schlechtem Make-Up mit seiner Discotruppe (u.a. die eigentlich talentierte Olivia Munn als Psycho-Domina und Casting-Sünde des Jahrzehnts) in die Szenerie teleportiert. Magneto kann eine Millionenstadt effizienter verwüsten als der „Man of Steel“, bekommt nachher aber trotzdem von Xavier einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter – Schwamm drüber. Das alles derart übertrieben, dass es dennoch halbwegs funktioniert; ähnliche Probleme hatte bereits der ebenso unausgegorene und unterhaltsame „First Class“, auch wenn „Apocalypse“ seine Wankelmütigkeit zu neuen Höhen treibt. Zwischen guten Youngsters (Evan Peters, Tye Sheridan, Kodi Smit-McPhee, Alexandra Shipp) und überragenden Effekten kommt dabei jeder, der eine gewisse Verbundenheit mit dem Franchise mitbringt, auf seine Kosten, oder wenigstens einen Großteil davon. Im unausweichlichen nächsten Teil der Reihe (für die Post-Credit-Szene brauchen wirklich nur Fans der Comics sitzen bleiben) darf dann aber gerne wieder solide erzählt statt größenwahnsinnig verhaspelt werden. Denn wer (verdiente) Meta-Seitenhiebe über dritte Teile von Trilogien in Richtung Brett Rattner austeilt, sollte vielleicht auch das eigene Drehbuch etwas besser im Griff haben.
Wertung: 6/10
X-Men: Apocalypse (US 2016) | Regie: Bryan Singer | Skript: Simon Kinberg | mit James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Nicholas Hoult, Oscar Isaac, Rose Byrne, Evan Peters, Sophie Turner, Tye Sheridan, Kodi Smit-McPhee, Alexandra Shipp | 144 min.
Weitere Meinungen: Going to the Movies, Miss Booleana
Haha… ja, das mit dem Seitenhieb auf dritte Teil war dann wohl auch ein bisschen foreshadowing. Ich mochte den Film ja durchaus an vielen Stellen… hauptsächlich eigentlich wegen der Einführung der neuen alten Charaktere, die jetzt durch jüngere Darsteller ersetzt wurden und die mir eigentlich durch die Bank alle gut gefallen haben.
Ich fand’s nur halt echt schade, dass sie den big bad Apocalypse so verhunzt haben. Der hat mir so überhaupt nicht gefallen, weil er als Gegner jetzt irgendwie nie so wirklich seine volle Macht zeigte.
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Oscar Isaac macht natürlich wie immer einen guten Job, aber das tröstet leider auch nicht darüber hinweg, dass er eben einen 08/15-Villain mit 08/15-Motiven und Uber-Kräften geben darf, der am Ende von einem 16-jährigen Mädchen verprügelt wird. (Wo man schon fragen darf, welche Bedrohung sie für den nächsten Teil aus dem Hut zaubern wollen. Dark Phoenix? Schon wieder?)
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Gegen Isaac kann man wirklich nichts sagen. nur halt gegen den Charakter selbst…
Und ja, ich könnte mir schon gut vorstellen, dass sie Dark Phoenix noch einmal machen. Vielleicht machen sie es dieses Mal ja besser 😉
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Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass Drehbuchautor Simon Kinberg tatsächlich nicht die ersten beiden, wohl aber „The Last Stand“ geschrieben hat. Was einiges erklärt. :p Ich bin also nur mäßig zuversichtlich. (Zugegeben, Famke Jansson war aber auch das Beste am verkorksten dritten Teil.)
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