Doctor Strange (2016)

„It’s Strange.“ „Maybe, but who am I to judge?“

Was passiert
doctor-strangeAls Neurochirurg gehört Stephen Strange zu den Besten seiner Zunft – bis ein Autounfall seiner Karriere ein schnelles Ende bereitet. Ohne Aussicht auf ein medizinisches Wunder sucht Strange Zuflucht in Kathmandu. Dort, im Tempel von Kamar-Taj, lehrt The Ancient One mystische Künste, von denen Strange sich Heilung erhofft. Doch er ist nicht der Einzige, der es auf die Geheimnisse des Ordens abgesehen hat. Kaecilius, einst ein Meister des Ordens, strebt danach, die Zeit selbst zu beherrschen. Auf der Jagd nach Unsterblichkeit droht er, die Welt an einen Dämonen zu verfüttern – Auftritt Doctor Strange, Weltenretter.

Was Sache ist
„Doctor Strange“, der nunmehr 14. Film im Marvel Cinematic Universe, ist ein visuelles Fest. Das ist vorauszuschicken, weil es viele der Zipperlein negiert, an denen Marvel-Filme im Allgemeinen und dieser im Besonderen kränkeln. Das altbekannte Sprichwort von den vielen Köchen, die den Brei verderben, steht im 21. Jahrhundert wohl eher Drehbuchautoren zu; offiziell hat „Strange“ deren drei, tatsächlich wirkt es bisweilen, als hätte jede Szene ein anderer Schreiberling verfasst. Wie alle Superhelden-Filme dieser Ära meint man auch hier, um eine Origin-Story nach „Iron Man“-Rezeptur nicht herumzukommen. Gleichzeitig können Scott Derrickson und co. es gar nicht erwarten, endlich zum Hauptmenü zu kommen, und hetzen daher durch eine enorm belanglose erste halbe Stunde in einem Tempo, das man ihnen nicht einmal übel nehmen kann. Das unterschlägt leider Stranges Transition vom rationalen Wissenschaftler zum Harry-Potter-in-Training, die in wenigen Szenen abgehandelt wird – ein seltsamer Missgriff, sollte doch allgemein bekannt sein, dass Zaubererschulen ziehen. (Zumal die alte „Harry Potter“-Manie dank „Fantastic Beasts“ gerade jetzt wieder hochkocht.) Stattdessen stürzen wir uns in den üblichen Plot um einen Zauberstein, dank dessen Zeitreise-Fähigkeit sich sämtliche Probleme im MCU zukünftig eigentlich erübrigen dürften – oder nicht, was mit dem vagen Verweis auf die Verlockungen der dunklen Seite der Macht notdürftig erklärt werden. Dazu kommt ein zwar langweiliger Gegenspieler, der immerhin eine nachvollziehbare Motivation mitbringt und nicht unter das Schema „raffgieriger Geschäftsmann“ fällt – dennoch eine Verschwendung für jemanden vom Kaliber Mads Mikkelsens. Ganz zu schweigen von Rachel McAdams, die nach getaner Arbeit als hübsches Accessoire unsentimental aus dem Film geschrieben wird.

Warum der Film trotz allem dennoch funktioniert? Zunächst einmal, weil Marvel aus dem Erfolg von „Guardians of the Galaxy“ gelernt hat. Das Publikum toleriert nicht nur schräge Geschichten, es verlangt sogar danach in Zeiten, in denen auch die anderweitig beschäftigte letzte Reihe mitbekommen hat, dass diese Superhelden-Abenteuer alle irgendwie gleich ablaufen. Der Höhepunkt von „Doctor Strange“ ist, tatsächlich, der Endkampf – wer hätte gedacht, dass so etwas noch einmal vorkommen sollte in einem Marvel-Blockbuster? „Doctor Strange“ ist, in der Tat, strange – und treibt diese Strangeness leider nur stellenweise weit genug; dort aber, befeuert von durch und durch grandiosen und einzigartigen Effekten, zu Höhen, die das MCU bislang selten erreichte. Benedict Cumberbatch navigiert souverän durch diese an „The Matrix“ und „Inception“ erinnernden Welten und scheut sich dabei nicht, Strange als arroganten Unsympathen anzulegen, der trotzdem die Kurve schafft zum komplizierten Leinwandhelden (und dem, so scheint es, Weltrettung dann doch wichtiger ist als seine Liebschaft mit McAdams); an seiner Seite Chiwetel Ejiofor, dessen eher angerissener Charakter viel Potential verspricht für zukünftige Filme. Die eigentliche Heldin ist natürlich Tilda Swinton, die als fernöstliche Zen-Meisterin im Vorfeld für Kontroverse gesorgt hat; dabei scheint mir doch gerade die Parole „Asiatische Stereotype den Asiaten!“ den Rassismusverdacht zu verdienen. Swinton zumindest ist exzellent wie stets, doch selbst sie würde den Film wohl nicht retten, hätte dieser nicht das ganze Arsenal des modernen Effektkinos zu Verfügung und wüsste es zu nutzen. Die Story lässt kalt, aber das visuelle Feuerwerk sprüht letztlich ausreichend Funken.

Wertung: 7/10

Doctor Strange (US 2016) | Regie: Scott Derrickson | Skript: Jon Spaihts, Scott Derrickson, C. Robert Cargill | mit Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Chiwetel Ejiofor, Mads Mikkelsen, Benedict Wong, Rachel McAdams | 115 min.

Andere Meinungen: Das Ding auf der Schwelle, Filmexe, Filmherum, Going to the Movies, Infernal Cinematic Affairs, Miss Booleana

5 Gedanken zu „Doctor Strange (2016)

  1. Pingback: Kritik: Doctor Strange – filmexe

  2. Pingback: Doctor Strange | FilmkritikenOD

  3. Ich kann den Whitewashing-Skandal um Tilda Swinton auch nicht nachvollziehen. Ich fand ihre Rolle sogar sehr wichtig, weil a) Rachel McAdams eine undankbare Stichwortgeber-Rolle hat und b) der Restcast eigentlich nur aus Männern besteht. Ein bißchen Diversity schadet nicht!

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    • Zumal sich Marvels „Girlfriend-Problem“ ja nicht nur auf diesen Film beschränkt, sondern sich eigentlich durch das ganze Franchise zieht. Die afroamerikanische Integration in das Franchise nimmt langsam Formen an, aber bei Frauen sieht es immer noch sehr müde aus. (Von nicht-weißen Frauen will ich mal gar nicht reden…)

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  4. Vielen Dank für die Verlinkung. Kann dir nur in allen Punkten zustimmen – fast dasselbe steht in anderen Worten ja auch in meiner Review. Wir sind uns sogar mal bei der Punktzahl (fast) einige 😉 Was Swintons Rolle betrifft, komme ich besser damit klar, seitdem ich sehe, dass es keine wirklich nennenswerte Frauenfigur gab. McAdams wurde ja förmlich verheizt. Sehr schade.
    Das androgyne bei der Figur der Ältesten finde ich eigentlich am Interessantesten. Sie könnte im Prinzip alles sein, was man in die Figur reinzuprojizieren vermag. Mann, Frau, alt, jung, westlich oder was ganz anderes. Aber anfangs hatte ich dabei auch etwas Bauchschmerzen.

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