„You wear your honor like a suit of amor, Stark. You think it keeps you safe, but all it does is weigh you down and make it hard for you to move.“
Verspätet diesmal. Hach ja.
Kapitel 47 – Eddard
Was passiert
Ned wird von seinen Dienern aus dem Schlaf gerissen und zum König gebracht, der im Sterbebett liegt, aufgeschlitzt von einem wilden Eber. Robert ernennt Ned zum königlichen Regenten, bis Joffrey volljährig ist. Ned bringt es nicht übers Herz, Robert die Wahrheit über Cerseis Kinder zu berichten, schreibt jedoch an Stannis, den rechtmäßigen Thronerben, und bittet darum, mit seiner ganzen Stärke nach King’s Landing zu kommen, ehe die Lannisters zuschlagen. So wie Renly, der Ned zu einem Staatsstreich bewegen will, ist Littlefinger von diesem Plan wenig begeistert, sagt Ned allerdings seine Unterstützung zu.
Was Sache ist
Seit der Ankunft in King’s Landing macht „A Game of Thrones“ so viel mehr Spaß. Einer der mühsamsten wie auch amüsantesten Aspekte des Buchs, das zu diesem Zeitpunkt beinahe zur Hälfte aus Ned-Kapiteln besteht, ist das Herausfiltern suptiler Informationen, die Ned allenfalls zur Hälfte verarbeitet, und damit das Herausfinden, wer zu welchem Zeitpunkt welche konkreten Pläne verfolgt. Hat Renly, der Ned darauf drängt, Joffrey und seine Geschwister in seine Gewalt zu bringen, zu diesem Zeitpunkt schon eigene Absichten auf den Thron? Das hängt wohl davon ab, wie viel Renly weiß; ich halte ihn im Allgemeinen für deutlich intelligenter als Ned, und dieses Kapitel ist das erste, in dem er überhaupt etwas tut. Zumindest wird er daher wissen, dass Ned dieses Ansinnen niemals unterstützen würde – zumal Ned wohl der einzige Mensch im Reich ist, der mehr für Stannis übrig hat als für Renly. (Ich würde fast so weit gehen zu behaupten, dass Renly in Sachen monarchischer Kompetenz einer der besten Anwärter auf den Thron wäre.) Aus demselben Grund ist davon auszugehen, dass Littlefingers Plan, den er Ned unterbreitet, nicht wirklich ein ernsthaftes Anliegen war – ich bin nicht sicher, wie halbherzig Littlefinger für Ned gearbeitet hat; die Lannisters sind für ihn eine größere Bedrohung, auf der anderen Seite weiß Littlefinger aber auch, dass Ned Stark an der Macht für seine persönlichen Avancen keine allzu helle Zukunft bedeutet.
Entsprechend lässt er bei seinen Gründen gegen Stannis aus dem Thron natürlich auch den (für ihn – und mich, öhem) wichtigsten aus, nämlich: Die zweite Person, die König Stannis I. aus King’s Landing hinauswerfen würde (nach Varys, der Glück hätte, mit dem Leben davonzukommen), wäre Littlefinger, vermutlich gefolgt von all seinen Huren. Wie wir in Buch Fünf sehen, ist Geld (oder besser, monetäre Verantwortung) für Stannis eines der größten Ärgernisse (aber seien wir ehrlich, was ist das nicht für Stannis?), und ich hätte mich auch nicht gewundert, hätte er Littlefinger kurzerhand aufgeknüpft, weil der Robert quasi erst ermächtigt hat, das Reich in den finanziellen Ruin zu treiben. Das sollte Ned auch sehen, und dass er es nicht tut, ist sein Kapitalfehler, erst recht, nachdem Littlefinger ihn so pointiert (haha) darauf hinweißt, dass der Wind in der Regel in die Richtung weht, aus der das Gold kommt. Natürlich ist Ned mit seinem Fimmel für Ehre und „Das Richtige“, Trademark, gar nicht in der Lage, sich an diesem Punkt für Renly und Littlefinger zu entscheiden, deshalb hat er die entscheidenden Fehler früher begangen. Nichtsdestotrotz ist die gesamte Ned-Storyline in „A Game of Thrones“ eine sehr langsame Rutsche in den Abgrund, die von einem flexibleren Politiker jederzeit hätte aufgehalten werden können. (Man stelle sich Frank Underwood in Westeros vor. Oh, Moment, das wäre dann wohl Littlefinger.) Das ist sowohl ein sehr markanter Kommentar auf die übliche pseudo-mediavalistische Fantasy-Rhetorik von Gut und Böse, Ehre und Sünde als auch extrem spannendes Charakterdrama, für das der Serienslogan, „In the game of thrones, either you win or you die“ eigentlich gar nicht zutrifft – oder allenfalls für Männer (und Frauen) wie Ned, die Zwischenwege selbst dann nicht wahrnehmen, wenn sie ihnen auf dem Silbertablett präsentiert werden. Das einleitende Zitat passt natürlich perfekt dazu.
Die Moral ist wohl, wenn du an einem Königshof herumlungerst und nicht zufällig ein paar tausend Mann in der Garage stehen hast, sei besser ein Opportunist oder mach, dass du da weg kommst. (Was er ja fast, fast geschafft hätte …) Nun gut. Robert bekommt einen passenden Abgang (auch wenn ich ihn immer noch lieber als plündernden, hammerschwingenden Kriegsfürst im östlichen Exil gesehen hätte – vielleicht schreibt ja mal jemand ein schönes Fanfic dazu), und Varys lenkt (nicht) sehr subtil den Verdacht auf die Lannisters, natürlich, als gerade kein Lannister zugegen ist. So weit ich das sehe, gewinnt oder verliert Varys damit nichts, d.h. er gibt Informationen for free raus, was sehr un-Varys ist. Er wird gut genug wissen, dass er den Krieg an diesem Punkt nicht weiter hinauszögern (und Ned vorerst retten) kann, was ja sein Ziel war. (Vermutlich wäre Ned zumindest mittelfristig besser damit gefahren, sich mehr auf Varys und weniger auf Littlefinger zu verlassen; der langfristige Effekt wäre, siehe Epilog des fünften Bandes, natürlich der gleiche geblieben.) Ich könnte tatsächlich über dieses Kapitel noch Seiten weiterschreiben, aber ich belasse es mal dabei und freue mich auf zukünftige Intrigen am Hof.
Kapitel 48 – Jon
Was passiert
Neun der jungen Rekruten werden zu Männern der Night’s Watch gemacht. Pyp und Grenn werden den Rangern zugeteilt, Sam, der sich um Maester Aemon kümmern soll, den Stewards, ebenso wie Jon, was alle überrascht. Nachdem er fest damit gerechnet hat, ebenfalls ein Ranger zu werden wie sein Onkel, ist Jon zunächst wütend, ehe Sam ihn darüber aufklärt, was das bedeutet: Lord Mormont hat Jon persönlich angefordert, um in ihm einen möglichen Nachfolger vorzubereiten. Schließlich legen alle ihren Eid in der Septe von Castle Black ab, bis auf Jon und Sam, die nordwärts der Mauer reiten, um im Godswood vereidigt zu werden. Dort, im Wald, findet Ghost eine abgetrennte Hand.
Was Sache ist
Wieder ein Seitenhieb auf traditionelle Fantasy: Unser heroischer, aber recht beschränkter Protagonist braucht Erklärungen von seinem unkriegerischen, aber belesenen Sidekick, um zu sehen, was direkt vor ihm liegt. You know nothing, Jon Snow. Schön, dass Sam da ist, um ihn gelegentlich mal in die richtige Richtung zu schieben. Die beiden ergänzen sich eigentlich hervorragend. (Es wird wohl niemanden verwundern, dass GRRM den Charakter ausgerechnet Samwell getauft hat, nicht allzu weit von Samwise entfernt …) Noch zwanzig Jahre Training, und Jon wäre bestimmt ein brauchbarer Lord Commander. (Hust.) Diese Begeisterung für das Ranger-Dasein ist mir verständlicherweise leicht suspekt; klar, dass es erfahrende Stewards braucht, um den Laden halbwegs am Laufen zu bleiben. (Das nimmt einen wunder, warum ausgerechnet Yoren zum Headhunting geschickt wird, anstatt jemand mit gewissen Marketing-Skills. Zugegeben, in Band 4 klappt das eher so suboptimal; grundsätzlich sollte es aber nicht so schwer sein, irgendwo einen halbwegs wohlerzogenen Schönling zu finden, den man anstatt des zerlausten Rangers von Hof zu Hof schicken kann, um Nachwuchs anzuwerben.)
Ich mag natürlich Sams Herangehensweise an Religion: „The Seven have never answered my prayers. Perhaps the old gods will.“ Sehr brauchbar. Sam, du bist auf dem besten Weg zu einem anständigen, skeptischen Rationalist. (Was in einer Fantasywelt vermutlich ungesund ist, ich verweise auf den Schlussteil von Terry Pratchetts „Feet of Clay“. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Wortwörtlich, in dem Fall.) Dieses Kapitel dürfte das erste Mal seit dem Prolog sein, dass es uns wieder nördlich der Mauer verschlägt. Das letzte Mal war für die Beteiligten eher wenig erfreulich; diesmal werden die Körperteile immerhin schon abgepackt geliefert. Bis dahin – halte ich die Weirwood-Bäume, so wie ich sie mir anhand der Beschreibung ausmale, für ausgesprochen unheimlich. Besonders in diesem Fall: Ein Kreis von neun Bäumen, mit Gesichtern auf der Innenseite … Bis Band 5 war bislang wenig darüber zu erfahren, wofür die Bäume eigentlich da sein, was genau sie tun, aber für diese Spekulation wird zu einem späteren Zeitpunkt noch Zeit sein. Bis dahin sind sie einfach nur gruselig. Kein Wunder, dass jemand, der Baumgesichter anbetet, einen ziemlich miesen Regenten abgibt.